Ich liebe Mexiko. Meine erste Reise in dieses bunte Land vor mittlerweile 20 Jahren hat mein Leben nachhaltig verändert. Seitdem reise ich auch beruflich regelmäßig nach Lateinamerika und habe mich dieses Mal, nach mehr als drei urlaubsfreien Jahren, ganz besonders auf diese Reise gefreut. Dreieinhalb Wochen wollten mein Mann Martin und ich das Land entdecken, Freunde besuchen und natürlich auch ein spannendes nachhaltiges Projekt in einer kleinen Gemeinde in Yukatan kennen lernen. Doch dann kam alles anders.
12. März 2020: Der letzte Check beim Reisebüro, das unsere Tickets ausgestellt hat beschert uns Grünes Licht für alle Flüge. Am 13. März frühmorgens geht es los. Ich hatte noch selten eine so angenehme Reise. Vor allem die kurze Wartezeit bei der Einreise in Mexiko Stadt war phänomenal. Dank Zeitverschiebung sitzen wir noch am selben Abend in einer kleinen taquería und lassen es uns schmecken.
14. März 2020: Es erreichen uns die ersten Nachrichten von eventuellen Reiseeinschränkungen durch besorgte Freunde zu Hause. Es gibt aber noch keinen Anlass zur Sorge, denn in Mexiko selbst ist noch gar nichts von COVID-19 zu bemerken. Beim Schlendern durch die Straßen und Gassen ist alles wie eh und je, business as usual. Wir genießen die warmen Strahlen der mexikanischen Sonne und die ersten Momente von Sorglosigkeit seit langem.
15. März 2020: Wir melden uns bei der Familie zu Hause und erfahren, wie sich die Situation in Österreich gerade entwickelt. Ab morgen soll das gesamte Land im Lockdown stillstehen. Alles klingt irgendwie sehr nach Science-Fiction. Ich fühle mich ein wenig wie Tom Hanks in Terminal. Was passiert da gerade in meiner Heimat? In Mexiko gibt es immer noch keine Informationen über eine COVID-19 Welle oder irgendwelche Einschränkungen. Nachdem wir die nächsten zwei Wochen nicht nach Hause fliegen können, weil die USA nur die Durchreise erlauben, wenn man 14 Tage zuvor nicht in Europa war, erübrigt sich das Thema der sofortigen Heimreise erst einmal. Wir bemühen uns um ein paar sorgenfreie Stunden in der archäologischen Pyramidenstadt Teotihuacán, zwischen hunderten, hauptsächlich einheimischen, Touristen.
16. März 2020: Im Frühstücksraum läuft erstmalig der Fernseher. Statt der sonst so beliebten Telenovela laufen aber die Nachrichten mit Berichten über die ersten lateinamerikanischen Länder, die ihre Grenzen schließen. Auch die Berichte der Freunde zu Hause werden immer besorgniserregender. Wir beschließen Mexiko Stadt früher als geplant zu verlassen, und buchen Tickets an die Küste von wo aus unser Heimflug gebucht ist – auf Anraten der Dame im Reisebüro bei einer nationalen Airline über die die meisten Geschäftsreisen gebucht werden, da diese in Krisen am verlässlichsten ist. Genaueres zu geplanten Reisebeschränkungen oder Maßnahmen in Bezug auf COVID-19 weiß sie allerdings auch nicht.
Danach treffen wir Freunde aus Mexiko Stadt, echte „chilangos“, und verbringen einen wunderbaren und spannenden Tag im regen Austausch miteinander. Zum ersten Mal erfahren wir mehr über COVID-19 und die Lage in Mexiko. Einschränkungen wie wir sie von den Berichten unserer Freunde zu Hause erzählen, sind in einem Land wie Mexiko ihrer Meinung nach aber nicht denkbar. Die Frage die sich die Menschen hier stellen, ist die nach dem täglichen Brot, das viele nur als Tagelöhner*innen verdienen können. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist im informellen Sektor tätig, also weder angestellt noch als Unternehmer*in registriert. Eine COVID-19 Welle und damit einhergehende Maßnahmen würden in jedem Fall verheerende Konsequenzen für die Einkommensschwächsten bedeuten. Die aktuellen Zahlen liegen bei 43 bekannten Fällen in Mexiko Stadt mit 21,5 Millionen Einwohner*innen. In den Bundesstaaten Quintana Roo und Yukatan, der Gegend die wir bereisen wollen, sind noch keine Fälle bekannt. Es scheint uns allen eine gute Idee zu sein, die Zeit bis zu unserer Heimreise dort zu verbringen.
17. März 2020: Wir landen in Cancún und nehmen den Bus Richtung Süden. Neben mir sitzt eine junge Mexikanerin und erzählt mir, dass sie aus der Stadt an die Küste gekommen sei, um etwaigen Einschränkungen durch COVID-19 zuvor zu kommen, und im Falle von Reisebeschränkungen nicht in der Stadt festzusitzen. Damit bestätigt sie unsere Entscheidung zur verfrühten Abreise aus Mexiko Stadt. Näheres über etwaige Schutzbestimmungen wüsste aber derzeit niemand.
Unser erstes Ziel am Meer ist Playa del Carmen, einst ein etwas ruhigeres Feriengebiet abseits der großen Clubs und Hotels von Cancún und der Riviera Maya, mittlerweile aber leider ein Freiluftshoppingcenter mit Strandzugang. Die Auswahl an Konsumgütern beschränkt sich auf internationale Marken, Ramsch und Klischees. Ähnliches gilt für die Kulinarik.
Wir checken in ein kleines Boutique Hotel ein, das den Charme des Ortes leider nicht wettmachen kann, und machen uns auf die Suche nach einem ruhigen Ort zum Abendessen. Inzwischen ist es dunkel, und der Ort brummt. Keine Spur von COVID-19 oder irgendeiner Einschränkung. In einer kleinen, grünen Nische zwischen dem Hintereingang eines Hotels und einem kitschigen Pseudokunstladen finden wir unerwartete Ruhe im Trubel des Partyortes, wo ein italienischer Aussteiger frischen Fisch anbietet. Nicht gerade meine Vorstellung von Authentizität, aber davon ist in Playa del Carmen leider absolut gar nichts mehr übrig. Wir genießen den frischen Fisch und einen letzten stressfreien Abend.
18. März 2020: Gleich in der Früh trudeln dank Zeitverschiebung die ersten Nachrichten der nun ernsthaft besorgten Freunde zu Hause ein. Die ersten Flughäfen werden geschlossen, darunter auch Madrid. Damit ist unser Heimflug nun tatsächlich betroffen. Auch die ersten Nachrichten über Mexiko City und die Empfehlung von zu Hause aus zu arbeiten sind in den örtlichen Nachrichten. Großveranstaltungen werden abgesagt. Nachbarländer ergreifen Schutzmaßnahmen. Wir rufen bei der Hotline des Österreichischen Außenministeriums an, und kommen sofort durch. Eine Mitarbeiterin lässt sich unsere Lage erklären und berät uns sehr ruhig und kompetent. Tatsächlich empfiehlt sie uns so bald wie möglich nach Hause zu reisen. Im Gespräch stellt sich aber sehr schnell heraus, dass es für uns keine Möglichkeit dafür gibt. Da wir uns wie empfohlen registriert haben, heißt es jetzt erst einmal abwarten. Bisher ist noch keine Rückholung aus Mexiko nach Österreich geplant, man sei aber dabei die Daten aller Österreicher*innen zu sammeln, und würde sich dann bei uns melden. Unmittelbar nach dem Gespräch werden wir benachrichtigt, dass unsere Flüge gestrichen sind. Jetzt ist es offiziell: Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes gestrandet.
19.März 2020: Wir holen uns das zuvor reservierte Mietauto ab. So sind wir zumindest flexibel und können selbstständig jederzeit zum Flughafen fahren. Morgen sollen alle Pyramiden wegen COVID-19 geschlossen werden. Grund dafür ist die Sonnenwende am 20. März, die in den indigenen Kulturen immer noch ein bedeutendes Ereignis ist, zu dem viele Menschen zu den spirituellen Zentren reisen, um dort Zeremonien abzuhalten. Abgesehen von den immer häufigeren Aufforderungen zum Händewaschen, ist das die erste Maßnahme die wir seit unserer Ankunft bemerken. Wir beschließen die Gelegenheit zu nutzen, und nach Chichén Itza zu fahren, eine der bekanntesten Pyramidenstädte und „must see“ in diesem Teil Mexikos. Auf dem Weg dorthin passieren wir die Grenze zum Bundestaat Yukatan. Die Straßen sind schon vorher gesperrt, und wir werden zu einem Infostand für Touristen umgeleitet. Dort müssen wir erst einmal unsere Hände desinfizieren, bevor uns ein netter junger Mann über die aktuelle Lage aufklärt und natürlich geführte Touren anbietet. Nachdem es den ersten COVID-19 Fall in Cancún gegeben hat, gibt es strenge Gesundheitskontrollen. Wie angekündigt, werden wir etwa 1km später wieder aufgehalten. Aus einem Zelt kommen Menschen mit Schutzmasken und Handschuhen, die unsere Daten aufnehmen, uns nach unseren Reiseplänen Fragen sowie nach Symptomen des Corona Virus. Danach können wir ungehindert weiterreisen. Am Abend kehren wir zurück, werden aber nicht mehr kontrolliert.
20. März 2020: Wir sind spät abends an unserem Zielort Tulum angekommen und im erstbesten kleinen Hotel abgestiegen. Nachdem uns die Vögel und ersten warmen Sonnenstrahlen geweckt haben, holt uns die Realität schnell ein. Unser lang erträumter und längst überfälliger Urlaub wird nicht stattfinden, und wir müssen jeden Augenblick damit rechnen zum Flughafen abreisen zu müssen. Mittlerweile steht fest, dass es eine Rückholaktion aus Mexiko geben wird. Das Ministerium wird uns verständigen, wann es soweit ist. Bis dahin machen wir einen Deal mit uns selbst: die wenige Zeit hier so intensiv wie möglich zu genießen und das Beste daraus zu machen.
Wir checken in ein kleines Hotel direkt am Strand von Tulum ein. Was früher ein Geheimtipp für Abenteurer*innen war, ist jetzt ein Mekka für die Bobo Gesellschaft. Kleine, exquisite meist Ökohotels, Haute Cousineauf Mexikanisch, Menschen auf Fahrrädern auf dem Weg zum nächsten Yoga Kurs und natürlich wunderschöne Strände. In der Hauptsaison sicherlich ebenso voll wie Playa del Carmen, aber eben mit anderem Charme. Moment mal, es ist doch gerade Hauptsaison! Spürbar ist davon allerdings nichts. Die zahlreichen Lokale sind nur dünn besetzt, und auch die Strände sind wunderbar leer. Ansonsten ist von COVID-19 Maßnahmen oder Einschränkungen immer noch nichts zu sehen, doch man spricht darüber. Im Hotel kommt man uns mit flexiblen Buchungen entgegen. Derzeit weiß niemand wie lange Gäste bleiben können, und man freut sich über jede Buchung. Wir buchen 2 Tage mit der Option auf Verlängerung und hoffen auf eine möglichst lange erholsame Zeit.
21. März 2020: Nach dem Frühstück erreicht uns die Nachricht aus dem Außenministerium, dass unser Rückflug am 24. März stattfinden wird. Schweren Herzens sagen wir fix zu. So verlockend es uns auch erschienen mag für eine Weile im Paradies zu stranden, und so sehr ich das Land und seine Menschen auch liebe, so sehr ist mir auch bewusst, dass die Situation hier bald nicht mehr so paradiesisch sein könnte. Denn was passiert, wenn ein Ferienort plötzlich völlig leergefegt wird? Das gab es so noch nie, und die Lage kann selbst ich als erfahrene Reisende und Touristikerin nicht einschätzen. Wir sind dankbar für die Möglichkeit nach Hause fliegen zu können.
22. März 2020: Wir informieren Freunde und Verwandte über unsere Heimreise. Obwohl sie mit uns fühlen überwiegt doch die Erleichterung darüber, uns bald wieder in der Nähe zu haben – auch wenn davor eine zweiwöchige strikte Heimquarantäne zwischen uns stehen wird. Als uns am Abend der Hunger vom Strand holt, machen wir uns auf die Suche nach einem netten Restaurant zum Abendessen. Der Ort ist wie leergefegt und die Lokale fast alle leer. Von den Kellnern erfahren wir mehr über die Ungewissheit der Situation. Niemand weiß, wie es hier weitergehen wird, wenn die Gäste ausbleiben. Noch hofft man auf die US-Amerikaner*innen, denn die europäischen Gäste haben alle storniert oder reisen, so wie wir, verfrüht ab. Daher würden die Nächtigungspreise derzeit auch extrem ansteigen. Man müsse eben jetzt noch alles rausholen, was möglich ist. Das hatte ich befürchtet. Schon in der Vergangenheit ist mir dieses Model in Lateinamerika aufgefallen, wenig Nachfrage bedeutet teure Angebote. Und wenn nur noch wenige Gäste da sind, wie sieht es dann mit der Versorgungslage aus? Immerhin ist die hiesige Infrastruktur hauptsächlich für die Gäste errichtet worden. Steigen dann auch die anderen Preise in dem ohnehin für Mexiko sehr teuren Ort? Ist es dann noch leistbar im Paradies festzusitzen, wenn man auf rein touristische Infrastruktur angewiesen ist? Wir gönnen uns ein himmlisches Abendessen in einem fast leeren Restaurant unter Palmen.
23 März 2020: Ein letzter Tag am Meer. Vielleicht der letzte für eine lange Zeit. Ich bin enttäuscht, dass unser Urlaub geplatzt ist und gleichzeitig sehr dankbar für die wenigen Tage die wir hier verbringen durften. Was bleibt ist die Hoffnung auf einen andern Urlaub, irgendwann wenn die Urlaubskasse wieder aufgefüllt ist. Denn dieses Corona-Abenteuer kommt uns tatsächlich teurer als die ursprünglich geplante Reise. Grund dafür sind die durch die Krise stark erhöhten Preise, die nicht erstattbaren Kosten für zwei Wochen Mietauto, ein paar Nächte im Hotel, die nicht stornierbar waren und schließlich der von der Regierung organisierte Rückflug, der natürlich auch bezahlt werden muss.
Während ich so meinen Gedanken nachhänge beobachte ich die Tankwägen mit Trinkwasser und Laster mit Gastflaschen für die Gastronomie an mir vorüberziehen. Als ich in einem kleinen Laden frischen Fruchtsaft bestellen möchte, ist die Hälfte der Obstsorten nicht mehr verfügbar. Man bestellt schon nichts mehr nach, da man befürchtet bald schließen zu müssen. Ich frage mich, wie lange es noch dauern wird, bis auch die Tankwagen kein Trinkwasser mehr liefern. Die Angestellten in Hotels und der Gastronomie werden bald keine Arbeit mehr haben, wenn die Gäste ausbleiben. So viel steht fest. Sicherheitsnetz gibt es keines für sie. Am Abend bleiben die nächsten Restaurants geschlossen.
24. März 2020: Der Tag der Abreise. Am Weg zum Auto wird uns deutlich, dass es Zeit wird abzureisen. Der ganze Ort ist geschlossen. Auch die Saftbar vom Vortag hat nicht mehr geöffnet. Ich bin neugierig und überrede Martin auf dem Weg zum Flughafen noch einen kurzen Zwischenstopp in Playa del Carmen einzulegen. Mittlerweile ist mir sonnenklar, dass ich Zeugin einer noch nie dagewesenen Situation im Tourismus geworden bin. Ich möchte so viele Eindrücke wie möglich sammeln. Auch in Playa del Carmen ist es relativ ruhig, aber dank der erhofften und tatsächlich angereisten US-amerikanischen Gäste noch nicht ausgestorben. Springbreak ist eben nach wie vor für viele ein Muss. Doch auch hier ist schon die Sorge um die Existenz spürbar. Der Ort ist auf eine völlig andere Menge an Gästen ausgelegt, was z.B. die vielen wartenden Fahrradtaxis, leeren Strände und leeren Läden bezeugen. Wir müssen wieder los, denn am Flughafen von Cancún erwartet uns ein längst vergessener Prozess: der persönliche Check-in.
Die Schlange vor dem Schalter der Lufthansa/AUA ist lang. Wir sind, wie vorgegeben drei Stunden vor Abflug da, sogar noch früher, da der Flug selbst um fast eine Stunde verschoben wurde. Wir scheinen die einzigen zu sein, die sich an die Abstandsregel halten. Aus Gesprächsfetzten der Mitreisenden höre ich die Sorge heraus, keinen Platz mehr im Flugzeug zu bekommen. Eine Sorge die ich mir nicht mache. Ich habe Vertrauen in unser System und in die Zusage des Außenministeriums. Ein verzweifelter Deutscher schwirrt mit Sonnenhut, seinem Koffer auf dem Gepäckwagen und dem Handy in der Hand von Schalter zu Schalter und verbreitet bei neu ankommenden Landsleuten Informationen über die Registrierung für den Heimflug. Eine Herde von US-amerikansichen Tourist*innen wird von ihrem Reiseleiter zum self check-in begleitet. Mir wird erneut klar, wie die Industrie der Massen hier funktioniert, und dass viele Tourist*innen sicherlich in Panik geraten, wenn plötzlich alles anders ist als im Katalog beschrieben. Dazu noch die Angst vor der Fremde oder die Abneigung gegenüber dem Ungewohnten, die ja oft der Gründe für all-inclusive Pauschalbuchungen sind. Ich beneide die Reiseleiter*innen gerade wirklich nicht.
Wie erwartet läuft der Check-In reibungslos ab. Nur die Sache mit der mexikanischen Bürokratie muss man ernst nehmen. Wenn da nämliche ein Einreisestempel nicht lesbar ist, muss der von einer anderen Stelle bei der Ausreise bestätigt werden. Das geht zum Glück aber schnell, und wir können pünktlich boarden.
Das Boarding läuft anders ab als sonst. Ohne Maske, kein Einstieg. Auch die Flugbegleiter*innen tragen stabile Masken und ich vermisse zum ersten Mal das Lächeln anderer Menschen. Beim Einräumen der Fächer läuft plötzlich ein mittelgroßer Hund durch die Gänge. Ich muss Lächeln bei dem Gedanken an die lateinamerikanischen „chicken buses“ die ihren Namen daher haben, dass Mensch und alles mögliche Getier, vor allem Hühner, im Passagierraum transportiert werden. Zum Glück kann dieses Lächeln auch niemand sehen. Es dauert eine Weile bis alle untergebracht sind. Die Crew ist bemüht so viele Menschen wie möglich mitzunehmen und zählt jeden freien Sitzplatz, um Passagiere von der Warteliste anderer Länder mitnehmen zu können. Die Mitarbeiterin des Außenministeriums klärt uns über das formale Prozedere auf. Es gilt einige Formulare auszufüllen. Danach die Durchsage des Kapitäns. Es wird auf dem Flug keinen Service geben. Wir erhalten eine große Flasche Wasser und ein Papiersackerl voller Snacks und Goodies österreichischer Marken. Bis zur Landung in Wien lässt uns die Crew schlafen. Der nette Herr hinter mir auf 25f mich leider nicht. Er beschließt die Wut über seinen verpatzten Urlaub an meiner Rückenlehne auszulassen, und zwar mit heftigen Faustschlägen dagegen, jedes Mal, wenn ich mich zum Schlafen zurücklehnen möchte, und zwar so lange bis die Lehne wieder in aufrechter Position ist. Vielen Dank dafür. Seine Quarantäne geht hoffentlich für alle im Haushalt verletzungsfrei aus. Kurz vor der Landung weckt uns der Kapitän, wie versprochen auf. Beim Ausstieg, immer nur 10 Passagiere auf einmal, gibt es noch die letzten Anweisungen bei der Abgabe der Verpflichtungserklärungen. Dann noch schnell Fieber gemessen, und wir sind auf dem Heimweg. Der Flughafen sieht aus wie im Horrorfilm. Leere, stillstehende Gepäckbänder. Keine Menschen weit und breit. Der Taxifahrer hat ausnahmsweise kein Problem beim Parken.
25. März 2020: Erst jetzt wird uns langsam das volle Ausmaß der Lage bewusst. In meinem Kopf schwirren tausend Gedanken um die Zukunft des Tourismus. Es schmerzt mich zu wissen, dass die Lage für die Menschen in den Orten die wir gerade besucht haben sich sehr verschlechtern wird. Sie war ohnehin schon nicht besonders gut. Jetzt befürchte ich massive Rückschritte für Menschenrechte und Nachhaltigkeit im Tourismus, und das überall auf der Welt. Und am härtesten wird es wieder einmal die Ärmsten treffen. Ich bin keine Freundin schneller Meinungen und übereilter Entscheidungen, daher werde ich jetzt erst einmal Zeit brauchen, um alles zu verarbeiten und Informationen zu sammeln. Eines steht für mich jedoch schon jetzt fest: Der nachhaltige Tourismus darf nicht an Corona sterben.
Hier ein paar Schnappschüsse von der Reise: