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CSR-Circle diskutiert Nachhaltigkeit im Tourismus

Nachhaltigkeit im Tourismus: Chance oder Hemmschuh? Oder vielleicht Anlass zur Unzufriedenheit als erster Schritt zur Veränderung?

Gestern Abend lud der CSR Cricle zu einem Diskussionsabend zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus – Chance oder Hemmschuh? Am Podium diskutierten Melanie Franke, Direktorin des Rogner Bad Blumau, Manfred Pils, Präsident der Naturfreunde InternationaleAndreas Purt, Vizepräsident des Bunds Österreichischer Tourismusmanager und Markus Redl, Geschäftsführer der Niederösterreichischen Bergbahnen. Moderiert wurde das Gespräch von Roswitha Reisinger von Businessart und Thomas Hahn von der Labstelle.

Das Setting war perfekt, denn die Labstelle steht für all das, was der Begriff Nachhaltigkeit vermuten und erwarten lässt. Auch die Gäste waren hochkarätig, und ich hatte mich sehr auf eine visionäre Diskussion gefreut. Tatsächlich wurde von tollen Initiativen erzählt, und viele kluge Dinge wurden gesagt. Andreas Purt, Vizepräsident des Bunds Österreichischer Tourismusmanager, erzählte z.B. von den großartigen Erfolgen im Pilachtal und sprach davon, im Sinne der Nachhaltigkeit die Sehnsüchte der Gäste anzusprechen. Manfred Pilz, Präsident der Naturfreunde Internationale, berichtete aus dem langjährigen Erfahrungsschatz einer Organisation die seit jeher Nachhaltigkeit und Tourismus verbindet. Und sogar der Geschäftsführer der Bergbahnen Niederösterreichs, Markus Redl, sprach von Regionalentwicklung durch Tourismus – auch wenn er den kritischen Fragen nach der Nachhaltigkeit und Zukunft im Ski Tourismus elegant auszuweichen versuchte, in letzter Konsequenz jedoch den Einsprüchen eines jungen Mannes aus dem Publikum ebenso elegant deren Berechtigung einräumte.

Wirklich beeindruckt hat mich allerdings das, was Melanie Franke, Direktorin des Rogner Bad Blumau, zu sagen hatte. Denn plötzlich wurde die Nachhaltigkeit mit den Menschen verknüpft, und zwar nicht nur mit den Kund_innen, sondern auch mit den Menschen die im Rogner Bad Blumau als Gastgeber_innen fungieren. Plötzlich wurde die Nachhaltigkeit auf eine andere Ebene gehoben, auf die des Miteinanders und der Solidarität. Und plötzlich stand nicht mehr ein Produkt, ein Trend oder das Klima im Vordergrund. Es ergab sich auf einmal für einen kurzen Augenblick ein Bild des großen Ganzen – in dem auch der Tourismus seinen Platz gefunden hat.

Doch dieser Augenblick war leider nur von kurzer Dauer, und so hat mich das Gefühl der Unzufriedenheit wieder einmal im festen Griff. Wieder einmal hat sich bei einer Diskussion über die Nachhaltigkeit im Tourismus die Sichtweise der Bilanzbuchhaltung durchgesetzt – viel Rückschau, wenig Vorausschau und leider keine Vision. Und das, obwohl auch die Zahlen die Moderatorin Roswitha Reisinger einbrachte, auch die Hardliner der Vertreter der quantitativen Messbarkeit überzeugen müssen.

Durch den Grundsatz Lebensraum gestalten statt Arbeitsplätze schaffen“ liegt die Fluktuationsrate im Rogner Bad Blumau bei 3%, während der Rest der Branche mit bis zu 144% zu kämpfen hat. Eine Zahl die selbst dann noch sehr hoch ist, wenn man die Saisonbetriebe aus der Rechnung nimmt. Der Schlüssel dazu sind die Beziehungen zu den Menschen auch im unmittelbaren Umfeld. Mitarbeiter_innen können sich außerdem auf ihren Arbeitgeber verlassen, wenn sie krank sind, können passende Arbeitszeitmodelle mitgestalten, bekommen auch als Quereinsteiger_innen Chancen und werden in ihren Stäken gestärkt anstatt dazu angehalten ihre Schwächen zu beseitigen. Auch das Modell zur Regionalversorgung finde ich großartig. Da wird auch den kleinen Produzent_innen das abgekauft, was sie geben können bzw. was einmal nach dem Markt übrig bleibt – eine win-win Situation für alle beteiligten Betriebe und Menschen.

Der allgemeine Tenor war allerdings wieder einmal weit entfernt vom Funken der Inspiration zur Veränderung. Überspitzt gesagt, herrschte das kollektive Schulterklopfen für ein „best practice Beispiel“ und das übliche Abnicken, dass ja schon etwas getan wird, gefolgt von einem Heimweg in Zufriedenheit mit dem offensichtlichen Fortschritt in der Branche. Doch wo bleibt denn bitteschön die Unzufriedenheit? War ich denn wirklich die einzige, die am Ende der Diskussion voller Unzufriedenheit um sich blickte und auf das konspirierende Flüstern einer beginnenden Revolution wartete?

Ich frage mich wie es sein kann, dass dieser kurze Blick auf das große Ganze in der Diskussion so schnell in die Isolation geraten konnte. Ich hoffe, dass Melanie Frankes Telefon seit spätestens heute Morgen dauerklingelt, und sie geradezu bombardiert wird mit Anfragen aus der Branche, wie man das System des Rogner Bad Blumau unterstützen und es ihm gleichtun kann. Allerdings befürchte ich, dass die Zufriedenheit darüber, dass es ein so tolles Projekt gibt, wieder einmal gewinnen wird.

Mein Appell lautet daher:

  • Seid unzufrieden!
  • Schaut nicht nur in die Vergangenheit, sondern vor allem in die Zukunft!
  • Habt Visionen und kämpft dafür!
  • Das große Ganze besteht aus mehr als isolierten Bespielen, und sie können/sollen/dürfen nicht allein die gesamte Verantwortung für die Veränderung tragen!

Und zum Abschluss noch ein Dankeschön an den CSR-Circle für diesen schön umrahmten Diskussionsabend, und die Möglichkeit unzufrieden zu sein. Denn Unzufriedenheit ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.