Eröffnet wurde die interaktive Fish-Bowl-Diskussion von Agrarökologe Philipp Leonhartsberger (Horizont 3000), Kaffeeröster Charles Fürth , Make-Fruit-Fair Aktivist Konrad Rehling, Wirtschaftspädagoge Florian Ablöscher (Fair Trade Österreich) und Weltladen-Leiterin Estela Tschernutter.
So bunt und vielfältig wie die Mischung der Eröffnungsrunde war auch das Publikum und dessen Interessen in Zusammenhang mit Fair Trade. Das offen formulierte Thema war somit ideal und bot allen die Möglichkeit ihre Sichtweisen einzubringen. Der Raum war zum Bersten voll und das große Interesse am Thema deutlich spürbar.
Für mich als Touristikerin war es einmal mehr äußerst spannend zu beobachten, wie in einer Gruppe vieler Menschen, die sich offenbar intensiv und kritisch mit den Themen Nachhaltigkeit, globale Gerechtigkeit und Konsum auseinandersetzen, der Tourismus nicht auf dem Radar auftaucht. Und einmal mehr habe ich mir die Frage gestellt, warum das so ist? Hat der Tourismus wirklich keine Stimme die laut genug ist um von all diesen Menschen gehört zu werden? Oder ist er einfach ein zu komplexes Produkt um als Ganzes betrachtet zu werden? Sind daher vielleicht nur die einzelnen Fragmente sichtbar?
Fest steht jedenfalls, dass eine Vielzahl der angesprochenen Themen auch für den Tourismus höchste Relevanz haben. Inwiefern sind Zertifizierungen nützlich bzw. wer hat den Nutzen davon? Gibt man die Gedanken über Fair Trade und damit die Verantwortung mit dem guten Gewissen beim Kauf mit Siegel an der Kasse ab und schaut somit nicht beyond fair trade? Woher kommen Lebens- und Genussmittel wie z.B. Kaffee? Ist direct trade, also der direkte Vertrieb durch die Händler des Vertrauens ohne Zwischenhändler das bessere Fair Trade Modell? Und wie sieht es mit der Fairness am Bau aus? Ein Thema, dem sich schon das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte einmal angenommen hat, das aber an der fehlenden Bereitschaft über die Branche zu reden gescheitert ist – warum kann man sich hier nur denken. Kann Fairness wirklich nur mit Verzicht erreicht werden? Oder ist gar der Verzicht an sich ein Lustgewinn?
Letzteres kann man im touristischen Kontext getrost mit einem NEIN beantworten. Verzicht ist garantiert nicht das Motto einer Reise, denn selbst wenn die eine oder der andere auf eine bestimmte Annehmlichkeit verzichtet, wird diese meist durch eine andere, dem Reisemotiv entsprechende, ersetzt. Bleibt also die Frage: Wo findet man den Tourismus? Beyond Fair Trade?
Wir finden ja. Tourismus ist der Ort, an dem all diese Fragen die wir uns hier gestellt haben erlebbar und greifbar werden. Eine Reise ist kein übliches Konsumgut, auch wenn die eine oder andere angepriesene Reise wie Sonnenschein in der Dose wirkt. Menschen kaufen mit einer Reise Erlebnisse und Emotionen, und niemand möchte sich ein schlechtes Gefühl kaufen. In Urlaubsstimmung, weit weg vom Alltag werden plötzlich Dinge sicht- und spürbar, die zu Hause vielleicht nicht so deutlich wahrgenommen werden. Schlechte Arbeitsbedingungen für das Personal, Wasserknappheit, Armut vor den Toren des Hotels, Umweltverschmutzung, die Auswahl und Qualität der in den lokalen Geschäften angebotenen Produkte, und vieles, vieles mehr – also all das, was keine positiven Emotionen auslöst. Und auch im Tourismus gilt: Wir als denkende, fühlende Konsument_innen treffen schon beim Kauf eine Entscheidung und im Idealfall eine sehr bewusste.
Vielleicht bedeutet beyond fair trade also eine sprichwörtliche Reise in andere (Konsum-) Welten? Vielleicht verbindet der Tourismus beyond fair trade ja sogar Fairness und Nachhaltigkeit auch auf dem Dienstleistungssektor? Let’s see!
Wenn du nicht dabei sein konntest, findest du hier die Südwind Nachlese zum Themenabend.